Maximilian Krah will ein neues rechtes Selbstbewusstsein verbreiten: "Nationalliberal ist tote Hose. Rechts ist geil", schreibt der Spitzenkandidat der AfD für die Wahlen zum EU-Parlament im Juni. Vor allem auf dem Videoportal TikTok versucht er mit Slogans wie "Echte Männer sind rechts" oder "Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher" zu punkten. Mit Erfolg: Die Beiträge erzielen regelmäßig weit über 100.000 Aufrufe. Krahs Social-Media-Strategie ist sorgsam orchestriert – mit der Hilfe eines rechtsextremen Aktivisten, der krude Vorstellungen über Genetik und Vererbung verbreitet.

Erik Ahrens ist der "Kopf unter anderem hinter Maximilian Krahs TikTok-Offensive". So heißt es im YouTube-Format des Instituts für Staatspolitik (IfS). In einem Vortrag für den rechtsextremen Thinktank zeigt Ahrens seine Begeisterung für TikTok: Der "Schuldkult" sei auf der Plattform viel weniger verbreitet als in anderen sozialen Medien, lobt er. Mit dem Wort bezeichnen Rechtsextreme eine angeblich übertriebene Erinnerung an den Holocaust. Durch die stete Wiederholung kurzer Videoschnipsel entstehe ein "hypnotischer Effekt", so Ahrens. "So wie man sich 1923 gefühlt hat, als das Radio erfunden wurde, so fühl ich mich, wenn ich meine TikToks anschaue", sagte er unter zustimmenden Applaus im IfS.

Das Institut von AfD-Vordenker Götz Kubitschek ist nicht der einzige rechtsextreme Knotenpunkt, zu dem Ahrens Kontakt pflegt: Nach Informationen von ZEIT ONLINE residiert er auch regelmäßig im Landhaus Adlon – jener Potsdamer Villa, in der im November 2023 das von Correctiv enthüllte Treffen zwischen AfD und Rechtsextremen stattgefunden hatte. Seit Jahren finden auf dem Anwesen diskrete Vernetzungstreffen statt.

Hotelchefin Mathilda Huss bietet das vornehme Etablissement offenbar aus Überzeugung an: Bereits im Dezember berichtete ZEIT ONLINE über die enge Verstrickung von Huss mit der rechtsextremen Szene. Die Hausherrin soll unter dem Pseudonym "Augusta Presteid" Thesen zu rassenideologischen Ideen und Eugenik in rechtsextremen Medien verbreiten, wie die Potsdamer Neuesten Nachrichten berichten. Auch die Sicherheitsbehörden haben Presteid im Visier: Die Texte unter dem Pseudonym nähmen "die alten Theorien der Nationalsozialisten zur Rassenhygiene" auf, sagte der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Jörg Müller. Der ARD-Sendung Kontraste teilte Huss vergangene Woche mit, unter dem Pseudonym Presteid würden mehrere Autoren schreiben. Eine Anfrage von ZEIT ONLINE zu den Vorwürfen ließ Huss unbeantwortet.

Aufgewärmte Nazithesen

Auch Ahrens, der seine regelmäßigen Besuche auf dem Potsdamer Anwesen auf Anfrage eingeräumt hat, pflegt offenbar eine gewisse Leidenschaft für das Thema Genetik: "Erbliche Veranlagung ist der Schlüssel zu allem, wer sie nicht versteht wird überall nur Rätsel und Irrwege sehen", schrieb Ahrens auf X, selbst Religion sei "Ausdruck von Genen". Für die Politik wünsche er sich eine "echte natürliche Elite".

"Solche Aussagen laufen im Endeffekt auf eine Rassenideologie hinaus", sagt Jan Riebe, Referent bei der Amadeu Antonio Stiftung. Von Begriffen wie "Genetikfrage" solle man sich nicht blenden lassen: "Die Neue Rechte versucht lediglich, nicht mit dem klassischen Nationalsozialismus in Verbindung gebracht zu werden", sagt Riebe. Rassenideologische Vorstellungen hätten aber in Kreisen der Neuen Rechten und Teilen der AfD Tradition: Riebe erinnert an eine Rede von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke im Jahr 2015, in der dieser von einem "afrikanischen Ausbreitungstypus" sprach. Auch habe sich eines der ersten Bücher, die vom IfS herausgegeben wurde, mit "Sozialbiologie" beschäftigt.

Neu ist allerdings, wie offen der AfD-Politiker Krah und sein Helfer Ahrens ihre rassistischen Thesen vortragen. Ahrens plant nach eigenen Angaben sogar ein Buch. Den Vorwurf, er würde darin eine Art Rassenlehre ausarbeiten, entgegnete er auf X wie folgt: "Es geht im Buch nicht nur um Rasse", sondern "vor allem" darum, "wie man die Genetikfrage mit der Politik verbindet". Eine Ahnung davon, was dies bedeuten könnte, vermittelt Ahrens' Auftraggeber, der AfD-Spitzenpolitiker Krah: "Wer ethnische Afrikaner und Afghanen in die Regierung nimmt, macht die Regierung auch kulturell afrikanischer und afghanischer", schrieb dieser mit Blick auf Aminata Touré, die als Sozialministerin von Schleswig-Holstein Deutschlands erste schwarze Ministerin ist. Als selbst ein AfD-Anhänger kommentierte, dass dies zu weit gehe, entgegnete Krah: "Lösen Sie sich von der inneren Angst, die Wahrheit auszusprechen! Natürlich ist Korruption korreliert mit Kultur und Kultur mit Ethnie."

Bezahlt mit Fraktionsmitteln

"Durch das Umfragehoch gibt es in der AfD eine Art Euphorie. Dinge, die man sich jahrelang verkniffen hat zu sagen, werden jetzt ganz offen ausgesprochen", sagt Jan Riebe. "Das Konzept scheint zu sein: Wir können jetzt mehr sagen als vor fünf Jahren, also tun wir's", sagt er. Leider gebe es, was rassistische Äußerungen aus AfD und deren Umfeld angeht, eine Art Gewöhnungseffekt. Die Demonstrationen seit den Enthüllungen über das Potsdamer Treffen zeigten jedoch, dass es auch anders gehe.

Dass Videoproduktionen von Rassenideologen Ahrens auch mit Mitteln, über die Krah als Politiker verfügt, finanziert werden, will der AfD-Spitzenkandidat, bei aller Offenheit, dann doch nicht direkt zugeben: "Herr Ahrens ist nicht mein Mitarbeiter", teilte Krah zunächst auf Anfrage mit. Ahrens wiederum beantwortete eine Anfrage von ZEIT ONLINE öffentlich auf X. Dort schrieb er: "Als externer Dienstleister stellte ich lediglich einige Videos in Rechnung." Damit konfrontiert, ließ Krah mitteilen, dass Ahrens doch in seinem Auftrag tätig gewesen ist: Auf Anfrage schickte sein Büro eine Liste mit rund 40 Videos, die Ahrens für Krah produziert haben soll. Hierfür habe er einen "niedrigen vierstelligen Betrag" erhalten – aus Mitteln der Fraktion Identität und Demokratie. Die AfD ist im EU-Parlament Teil dieser Fraktion, zu der auch der italienische Lega und der französische Rassemblement National gehören.

Der Ort, an dem Krahs Mitarbeiter Ahrens seine Rassenideologie ausarbeitet, die Potsdamer Villa Adlon, steht nun im Visier des Verfassungsschutzes: Im Innenausschuss des Landtags Brandenburg sagte Behördenchef Jörg Müller, man prüfe die Einstufung der Villa als rechtsextremes Szeneobjekt.