3D-Druck: Neue Produkte aus altem VerpackungsmĂĽll

Deutschland produziert jährlich 5,6 Millionen Tonnen Kunststoffmüll, den das Fraunhofer IFAM und die Hochschule Bremen in 3D-Druck-Produkte umwandeln will.

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MĂĽll

Aufbereitetes Material fĂĽr die additive Fertigung

(Bild: Fraunhofer IFAM)

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Die Menge an Kunststoffmüll wächst: In den letzten 30 Jahren hat sich die Gesamtmenge in Deutschland etwa verdreifacht. Vor allem Verpackungen aus dem gelben Sack tragen zu dem Anstieg bei. Während Privathaushalte 1994 noch 2,1 Millionen Tonnen Kunststoffmüll produzierten, erreichte die Menge 2023 schon 5,6 Millionen Tonnen.

Recyclingfilament ist schon jetzt für viele Maker im 3D-Druckbereich eine Alternative zu herkömmlichem Filament. Im Normalfall erreicht dieses Filament jedoch nicht den Reinheitsgrad eines erstklassigen Filaments. Auch bei den Farben muss man Abstriche in der Qualität machen. Die neuesten Entwicklungen deuten jedoch an, dass es schon bald einen Qualitätssprung in diesem Bereich geben könnte. Dabei ist nicht nur das Filament selbst als hochwertiges Produkt aus Abfällen geplant. Auch die Weiterverarbeitung über 3D-Drucker ist Bestandteil des Recyclingkonzeptes.

Wie der Informationsdienst Wissenschaft (IDW) berichtet, plant die Hochschule Bremen zusammen mit Forschenden des Fraunhofer IFAM, schwer handhabbaren Kunststoffe aus Privathaushalten aufzubereiten und danach in der additiven Fertigung einzusetzen, um den Produktkreislauf zu schließen. "Es ist allerdings deutlich schwieriger, die sogenannten Post-Consumer-Abfälle wiederzuverwerten als etwa Kunststoffreste aus der Produktion", erklärt Dr. Silke Eckardt, Professorin für zukunftsfähige Energiesysteme und Ressourceneffizienz an der Hochschule Bremen. Diese Abfälle variieren stark und enthalten meist viele Verunreinigungen.

"Da die Abfälle als Rezyklat im 3D-Druck zum Einsatz kommen sollen, müssen sie, etwa hinsichtlich ihrer Reinheit, Form und Größe, besonders hohe Anforderungen erfüllen", erklärt Dr. Dirk Godlinski, Projektleiter in der Arbeitsgruppe Composite Technology am Fraunhofer IFAM.

Dafür nutzten die Hochschule Bremen und das Fraunhofer IFAM im Rahmen einer Machbarkeitsstudie Ausgangsmaterial aus einer Sortieranlage für Leichtverpackungen aus Polypropylen. Um eine ausreichende Reinheit zu gewährleisten, bereitete Silke Eckardt mit ihrem Team den Output der Sortieranlage weiter auf:

Im Kreislaufwirtschafts-Labor der Hochschule Bremen zerkleinerten sie die Kunststoffe, wuschen sie und trennten unerwĂĽnschtes Material in einem Aggregat der Schwimm-Sink-Trennung vom Hauptstrom ab.

Mit Nahinfrarottechnologie erkannte das Team verbleibende Fremdkunststoffe und entfernte diese ebenfalls. Anschließend zerkleinerten die Forschenden das Material erneut auf die benötigte Korngröße für die Compoundierung und trockneten es abschließend. Durch diesen Prozess erreichten sie Reinheiten von über 99,8 Prozent.

Die Umwandlung des aufbereiteten Abfalls zu Polypropylen übernahm das Fraunhofer IFAM: "Im Projekt haben wir aus den aufbereiteten Abfällen homogenes Polypropylen produziert", so Dirk Godlinski. "Dabei handelt es sich um einen vielfältig einsetzbaren Kunststoff, der langlebig, bruchfest und relativ flexibel ist."

Der Wissenschaftler und sein Team produzierten dafĂĽr einen festen Kunststoffstrang: Sie verarbeiteten die Flakes des Polypropylen-Rezyklats in einem Industrieextruder am Fraunhofer IFAM. Dort fĂĽhrten sie das Material zusammen, mischten es mit unterschiedlichen Extruderschneckengeometrien durch, schmolzen es bei Temperaturen ĂĽber 200 Grad auf und extrudierten es anschlieĂźend.

"Das Know-how besteht darin, entlang des Herstellungsprozesses jeweils die diversen mechanischen Schnecken, Temperaturen, Drücke und Geschwindigkeiten exakt so einzustellen, dass am Ende homogenes Polypropylen entsteht", erklärt Godlinski. Für die Weiterverarbeitung im 3D-Druck müsse der Strang beispielsweise über die gesamte Länge einen runden und konstanten Durchmesser aufweisen und die Oberfläche glatt bleiben.

Die Forschenden meisterten dieses Vorhaben: Sie nutzten den etwa zwei Millimeter dicken, grauen Kunststoffstrang direkt als Filament im 3D-Drucker. Das Team um Dirk Godlinski druckte bereits erfolgreich erste Bauteile wie Kappen. Die Hochschule Bremen und das Fraunhofer IFAM schlossen die Machbarkeitsstudie ab, und derzeit verfeinern die Forschenden den Produktionsprozess. Ideen für Folgeprojekte gibt es schon: Dirk Godlinski zufolge könnten sie Kunststoffe weiter aufwerten, indem sie beim Compoundieren Additive wie Glasfasern hinzufügen. Damit ließen sich hochwertige Bauteile herstellen, etwa für die Luftfahrt- und Automobilindustrie.

Gesetzliche Vorgaben treiben den Bedarf an Rezyklaten voran: Die EU-Verpackungsverordnung verlangt bis 2030 eine Rezyklateinsatzquote von 10 bis 35 Prozent für Verpackungen – abhängig von Kunststoffart und Produkt, ausgenommen Medizin- und Arzneiprodukte. Bis 2035 steigt der geforderte Rezyklatanteil auf 25 bis 65 Prozent.

"Es ist wichtig, die Nachfrage von Rezyklaten zu steigern", betont Silke Eckardt überzeugt. "Gerade in Hinblick auf den Klimawandel müssen wir uns über die Ressourceneffizienz Gedanken machen. Die Kreislaufwirtschaft wird immer wichtiger." Dirk Godlinski pflichtet bei: "Je mehr Abfälle wir wiederverwerten, desto mehr Energie und Ressourcen sparen wir ein."

(usz)