Durch die Innenstadt von Wittstock mit ihrer Fachwerk- und Backsteinarchitektur dröhnen Traktoren. Dunkel gekleidete Männer und Frauen ziehen mit Fackeln durch das brandenburgische Städtchen. Der Dritte Weg hat die Zeichen der Zeit erkannt. Anhänger der Neonazi-Kleinpartei haben Trecker aufgefahren, um dabei sein zu können, Seite an Seite mit den Bauern. Auf dem Marktplatz wollen sie sich als substanziellen Teil des Protests inszenieren.

"Bauern, Handwerker, Unternehmer und Arbeitnehmer sind alles eins", ruft Lutz Meyer, Vizevorsitzender vom Dritten Weg in Brandenburg, den rund 100 Versammelten in seiner Auftaktrede entgegen. Meyer ist Landwirt. Bereits auf dem Bild, mit dem der Dritte Weg zu der Versammlung aufrief, war ein Foto von ihm in Bauernkluft und mit Mistgabel in der Hand zu sehen. Mit seinem Traktor führt Meyer anschließend einen Fackelmarsch an. Sprechchöre skandieren: "Bürger, Bauern Hand in Hand – Wittstock leistet Widerstand." Meyers Message ist im Publikum angekommen.

Wo Landwirte demonstrieren, kommen schnell Neonazis

Bei Weitem nicht nur der Fall Wittstock wirft die Frage auf: Wie viel Macht üben Kräfte des rechten Spektrums in den Protesten der Landwirte aus? Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, hatte sich vor Beginn des Aufstands gegen eine Vereinnahmung verwahrt: "Rechte und andere radikale Gruppierungen mit Umsturzgelüsten wollen wir auf unseren Demos nicht haben", sagte er der Bild am Sonntag.

Geholfen hat das offenbar kaum. In Dresden etwa veranstaltete die rechtsextreme Partei Freie Sachsen am vergangenen Montag einen sogenannten Tag des Widerstands zur Unterstützung der Bauern. Mehrere Tausend Menschen marschierten daraufhin durch die Stadt und lieferten sich Rangeleien mit der Polizei. Dabei war auch der ehemalige AfD-Politiker Andreas Kalbitz, der wegen seiner Mitgliedschaft in einer inzwischen verbotenen Neonaziorganisation aus der Partei ausgeschlossen wurde.

In Berlin reihte sich die Junge Alternative Brandenburg mit einem Traktor in die zentrale Demonstration des Bauernverbands vor dem Brandenburger Tor ein. An der Autobahnauffahrt Rostock-Süd beteiligte sich der örtliche AfD-Kreisvorsitzende an einer von Bauern organisierten Blockadeaktion.

Blut-und-Boden-Romantik

Zugleich wird immer deutlicher: Die Proteste der Bauern sind für die extreme Rechte mehr als eine Bühne – sondern Projektionsfläche für die Sehnsucht nach der Zeit des Nationalsozialismus. Der Dritte Weg, der in Wittstock protestierte, schreibt in einem Thesenpapier, dass das "Bauerntum" über viele Jahrhunderte hinweg der "Kraftquell unserer Nation" gewesen sei.

Damit knüpft der Dritte Weg fast wörtlich an frühe Abhandlungen des NS-Ideologen Walther Darré an. Dieser idealisierte das Bauerntum in seinen Schriften als "Lebensquell der nordischen Rasse" und als "Neuadel aus Blut und Boden". Kern seiner völkischen Landwirtschaftsideen war ein System von Höfen, auf denen Familien gedeihen sollten – mit Eltern, die nach rassischen Gesichtspunkten ausgesucht werden. Die Ideologie fand als Reichserbhofgesetz ihren Weg in die Politik der Nationalsozialisten. Betreiber solcher Höfe mussten arischer Abstammung sein. Juden, Sinti und Roma sowie Nichtweiße wurden nicht zugelassen.

Dieser Zeit offensichtlich nachtrauernd, klagt der Dritte Weg in seinen Schriften zu den Bauernprotesten über das "Sterben der kleinen Erbhöfe" seit 1945, außerdem über eine seitdem andauernde, angebliche anglokapitalistische Fremdherrschaft auf deutschem Boden. Die Mär vom drohenden Aussterben des deutschen Volkes soll die Runde machen. Vereinzelte Banner mit der Losung "Die Demokraten bringen uns den Volkstod" hatten Neonazis bereits am Rande einer Kundgebung des Deutschen Bauernverbands Anfang der Woche in Berlin platziert.

In Wittstock ist der Dritte Weg schon einen Schritt weiter. An einem Traktoranhänger haben Parteifunktionäre ein Banner mit der Parole "Ja zur Zukunft heißt Nein zum BRD-System" angebracht. Schließlich spricht auch Parteichef Matthias Fischer zu den Demonstranten. Auch er lässt keine Zweifel: Mit Widerstand gegen die aktuelle Regierung hat der Protest der Rechtsradikalen wenig zu tun. "Nicht nur die Ampel muss weg", ruft Fischer, "das ganze System muss weg."